von Rainer Molzahn
Was genau bedeutet es, und was genau beinhaltet es, in seiner Rolle als atmende Person ganz wach zu sein?
Die Meisterschaft der transformativen Kompetenz?
Eine der markantesten Erkenntnisse, die mir im Prozess des Schreibens von ‚Transformatives Coaching‘ und der gleichzeitigen Praxis unserer Coaching-Ausbildung geschenkt wurden – dank der Tatsache, dass es wohl keine extremere Verlangsamung und Verstärkung des Informations-Bedeutungs-Prozesses gibt, als ein Buch zu schreiben:
Wie wichtig es ist – wie entlastend, entspannend und befreiend – sich in der Coach-Rolle (und übrigens auch in der Führungsrolle, und übrigens auch in vielen anderen Beziehungsfeldern) von dem Stress zu emanzipieren, man/frau müsse ständig und mit fast menschenverachtender Unerbittlichkeit 100% konzentriert sein auf den Inhalt dessen, was unser Coachee / unsere Mitarbeiterin / unser Gegenüber uns präsentiert.
Diese Befreiung – und die Aufforderung, mit der sie einhergeht – reicht im Entstehungsmythos der neuzeitlichen Psychologie zurück bis zu Sigmund Freud, unser aller Pate und Geburtshelfer der individuellen Emanzipation: er sprach von der ‚freischwebenden Aufmerksamkeit‘ des Psychoanalytikers (damals wirklich fast nur Männer = desto härter!).
Sein Konzept der freischwebenden – oder gleichschwebenden – Aufmerksamkeit beinhaltet bereits die Erlaubnis und die Herausforderung, an nichts festzuhalten, was unsere Präsenz im Hier und Jetzt beeinträchtigen könnte: unsere Wachheit, unser Interesse, unsere Einfühlsamkeit. Die Grundpfeiler unserer Wirksamkeit. Non-Attachment, wie der postmoderne Buddhist gerne mal intoniert.
Hundert Jahre nach Freud fühlen wir uns – als Praktiker*innen transformativen Veränderungshandwerks – aufgefordert, das epochale Konzept der freischwebenden Aufmerksamkeit (die Betonung liegt auf ‚Aufmerksamkeit‘) in Demut und Mut ein wenig zu differenzieren: in unsere fünf Aufmerksamkeiten. Eine fokussierte, und vier periphere. Es braucht alle fünf.
Und: Ich möchte auch andere Praktizierende der verantwortungsvollen Veränderung ansprechen als nur Coaches und therapeutisch Tätige. Also Führungspersonen, beratende und begleitende Rollen der Transformation, und letztlich uns alle als Täter*innen unseres Lebensweges. Ich meine, hundert Jahre – wie lange muss es denn noch brauchen, sich zwischen Dank und Demut sowie Mut und Wirksamkeit der eigenen Größe zu stellen? Also:
Die fünf Aufmerksamkeiten, in der Reihenfolge ihres Auftretens
1. Fokus: Coachee/Gegenüber.
Thema und Inhalt dessen, was der oder die andere mir präsentiert. Sprachgebrauch, Wortwahl und Informations-Bedeutungs-konstruktion. Körpersprache und deren Verhältnis zur verbal erzählten
Geschichte.
2. Peripherie: Beziehung.
Wie signalisiert mir die andere Person, wie sehr er oder sie mir persönlich vertraut und mich in meiner Rolle respektiert? Welche Statussignale erhalte ich, und wann genau, und wodurch
ausgelöst?
Wo genau scheint er oder sie mir zu folgen, und wo nicht? In welchem Verhältnis steht das, worüber der oder die andere spricht, zu ihrer oder seiner Beziehungsaufnahme zu mir?
Hier ist ein graphisch aufbereiteter Überblick zum Herunterladen
3. Peripherie: Kontext.
Wie werden wohl Dritte, nicht körperlich Anwesende in ihren Interessen und Bedürfnissen von dem berührt, was ich mit meinem Coachee hier gerade erarbeite? Wie vorder- oder hintergründig tauchen sie auf?
4. Peripherie: innerer Dialog.
Welche Gefühle, welche Resonanzen entstehen in mir, während ich der anderen Person zuhöre und mit ihr arbeite? Wie ist mein innerer Dialog, der zu meinen Interventionen führt?
5. Peripherie: Intuitionen.
Welche sonstigen spontanen Fantasien, Assoziationen und Impulse stellen sich lateral ein, während ich auf Person und Inhalt und all den Rest konzentriert bin?
Nicht jeder dieser Informations- und Wahrnehmungskanäle wird uns an jeder Stelle des Coaching-, des Führungs- oder Lebensprozesses auf gleiche Weise und mit gleicher Gewichtung beschäftigen. Aber im Prinzip sind wir natürlich jederzeit auf alles gefasst, und die freischwebende Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt ist durch nichts zu ersetzen …
All dies und noch viel mehr steht in Transformatives Coaching - ein Weg zu Freiheit und Kreativität, zu Wirksamkeit und Verantwortung.
Hier, hier oder direkt bei uns im Wandelforum kann m/w/d es mit allen fünf Aufmerksamkeiten online beziehen.
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