von Rainer Molzahn
Diagnostik im Coaching klingt erstmal merkwürdig, kennen wir diesen Begriff doch eher aus der Medizin und Therapie.
Trotzdem brauchen wir als Coaches ein professionelles Fundament, um seriös und wirksam Veränderungsprozesse begleiten zu können.
Sowohl Therapie als auch Beratung beziehen ihre Autorität daraus, dass vor jede therapeutische oder beratende Intervention eine präzise, differenzierte und objektivierbare Einschätzung vorgenommen wird, wovon realistischerweise auszugehen ist. Das Ergebnis solcher Bemühungen ist dann allerdings leider oft, dass Menschen in Schubläden landen, die sie klassifizieren, ein- und aussortieren, im schlimmeren Fall auch stigmatisieren.
Eine solche Diagnostik machen wir im Coaching nicht. Wir finden sie nicht hilfreich, wenn es darum geht, einzigartige Antworten auf einzigartige Herausforderungen zu geben.
Aber wir machen natürlich Diagnostik.
Denn ohne eine präzise, differenzierte und objektivierbare Einschätzung dessen, wovon auszugehen ist, bleibt jeder Versuch, bei Veränderungsprozessen zu helfen, ein suggestives Ratespiel. Die diagnostischen Einschätzungen, die wir vornehmen, beziehen sich aber nicht auf die Einordnung eines Menschen im Vergleich zu anderen, sondern auf eine Spezifizierung des Ortes, der Station, des Zwischenhaltes, an dem sich der Coachee im Kontext seines Veränderungsprozesses, seiner besonderen Abenteuerreise befindet.
Aus dieser rollierenden Diagnostik ergeben sich sehr spezifische Interventionen, um den Prozess dort,
- wo er ins Stocken gerät,
- dort, wo der Coachee sich im Kreise dreht oder verzagt,
- wo er flüchtet oder blind voranprescht,
- wo er im Nebel steht oder ziellos herumstochert,
zu unterstützen und zu befördern.
Aus dieserart Präzision, aus dieser objektivierbaren Prozessdiagnostik auf Basis des 5-Grenzen-Prozessmodells ergibt sich tatsächlich eine Interventionsökonomie, die zur Folge hat, dass der Veränderungsprozess, den der Coachee zu bewältigen hat, zügiger und umsichtiger gestaltbar wird, als das ohne ein Coaching wahrscheinlich wäre.
Auf eine Weise, die für den Coach nicht anstrengend ist: ohne, dass er ziehen, schubsen oder zerren muss, ohne viel motivierendes Gerede und ohne pädagogisch bemühte Vorträge, ohne ganze Köfferchen voller methodischer Tricks und Requisiten. So macht Arbeiten Spaß. Es braucht nur das richtige Wort, die richtige Frage zum richtigen Zeitpunkt.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchreihe "Transformatives Coaching und Mentoring".
Kommentar schreiben