von Rainer Molzahn & Peggy Kammer
Der Coaching-Markt ist weitestehend unreguliert. Darüber mag man aus der Perspektive der ‚Qualitätssicherung‘ weinen, aber es spiegelt auch wieder, dass wir in einer Zeit des ungeordneten Aufbruchs leben, in der es einen großen Bedarf nach (wenn man so will) Lebenshilfe gibt, der von den qualitätsgesicherten Versorgungshierarchien nicht befriedigt wird.
Heute möchten wir einige Gedanken, Hinweise und Fragen teilen, die helfen können, sich auf diesem unübersichtlichen Terrain zu verorten.
Was genau ist der Unterschied, den ich auf meine einzigartige und also unersetzliche Art und Weise als Coach machen möchte, und für welche Leute insbesondere? Und wo?
Ich kann anderen nur dort glaubhaft Richtung und Sinn, Respekt und Vertrauen vermitteln, wo ich selbst schon gewesen bin. Deswegen sind wir für genau die Themen die besten ‚Lehrer‘ bzw. ‚Lehrerinnen‘, die wir selbst auf eine Weise transformativ bewältigt haben, die man als kreativ, wirksam und verantwortungsvoll beschreiben könnte – also gereift. Und wenn wir in diesem Prozess das Täter-Opfer-Dilemma durchdrungen habend. Dies beinhaltet mehr und anderes, als einfach irgendwo siegreich gewesen zu sein. Jenes erzeugt nämlich oft die naive Neigung, anderen die eigenen Rezepte zu verschreiben. Am besten sind also die ‚Themen‘ (also Langzeit-Prozess-Leitmotive), die man aus beiden Perspektiven prozessiert hat, als Opfer wie als Täter. Wenn man und aus seinen Niederlagen so viel gelernt wie aus den Erfolgen, und am besten ein bisschen mehr. Daraus erwächst dann eine emotionale Reife, die uns nicht nur zum Irgendwas-Coach, sondern zum transformativen Coach qualifiziert.
Unwillkürlich müssen wir an dieser Stelle an Teilnehmer*innen unserer Coaching-Ausbildung denken: An M, der nach seinen schmerzvollen Erfahrungen in einem langwierigen Scheidungsprozess beschloss, mit Vätern von Söhnen zu arbeiten. An C, die sich auf Coachings mit Angehörigen der Sandwich-Generation (pubertierende Kinder, pflegebedürftige Eltern) spezialisierte. An F, die, nachdem sie als Führungskraft politisches Opfer einer Umstrukturierung wurde, jetzt Menschen in beruflichen Umorientierungs-Prozessen begleitet. Was wir damit sagen wollen:
Die Frage, wie man sich auf dem großen Coaching-Marktplatz positioniert, muss keine blutarme Anstrengung sein, für die man sich in die Hände von flachbrüstigen Marketing-Experten begibt. Im besseren Falle ist sie das organische Ergebnis der eigenen Held*innenreise zu sich selbst.
In unserer Ausbildung "Transformatives Coaching" begleiten wir unsere Teilnehmenden bei dieser Reise. Wir unterstützen sie beim Erkunden des eigenes Weges in den begleitenden Coaching-Gesprächen und nehmen insbesondere im letzten Modul den individuellen weiteren Weg als Coach in den Fokus. Wir stellen immer wieder fest, wie sehr es hilft, dass wir als Ausbildungscoaches und auch unsere Assistent*innen ganz individuelle Wege gegangen sind und gehen - persönlich und in unseren Coach-Rollen. Die Vielfalt an Modellen, wie frau/man als Coach arbeiten und sich positionieren kann, eröffnet unseren Teilnehmer*innen eine große Freiheit, ihre Rolle zu kreieren.
Bei aller Diversität in der Positionierung vereint uns und unsere Absolvent*innen doch ein gemeinsames Fundament von Professionalität, Haltung und Menschlichkeit. Wir sind wache und achtsame Beziehungsgestalter*innen und kennen uns aus mit transformativen Veränderungsprozessen.
5 Fragen für den eigenen Weg als transformative*r Coach:
- Durch welche transformatorischen Krisen bist du selbst gegangen?
- Was hast du zu geben - resultierend aus deinen Erfahrungen und Reflexionen?
- Was ist dir von Herzen wichtig, in die Welt zu tragen?
- Für wen möchtest du einen Unterschied machen?
- Was sind deine Talente und Spezialitäten als Coach?
Noch einen Aspekt wollen wir unter dem Gesichtspunkt der Positionierung erwähnen: Coaching ist in erster Linie ein regionales Business. Es macht einfach wenig Sinn, wegen einer dreistündigen Sitzung in den Flieger zu steigen oder sich den Unwägbarkeiten des Fernverkehrs auf deutschen Autobahnen auszusetzen – oder dasselbe seinem Coachee zuzumuten. Außerdem ist es regional viel einfacher, auch einmal gemeinsame Gespräche mit Vorgesetzten, Ehepartnern oder sonstigen Stakeholdern durchzuführen, ganz zu schweigen von Gruppen-Coachings.
Auch in den aktuellen Pandemie-Zeiten, in denen so viel über virtuelle Kanälen kommuniziert werden muss, bleibt dies gültig: die Option, sich mal physisch zu treffen (und sei es, unter Wahrung der Abstandsregeln bei einem Waldspaziergang), ist prinzipiell unverzichtbar. Unsere fünf Sinne arbeiten als Orchester am besten. Live und in Farbe. Von Angesicht zu Angesicht.
Das alles läuft darauf hinaus, sich vor allem den lokalen und regionalen Anbieter-Markt gut anzuschauen, um einen Begriff davon zu bekommen, in welches systemische Aquarium man sich da als neuer Fisch begibt.
Und trotzdem, bei aller Mitbewerber-Schau: Niemand hat die gleiche Geschichte, die gleichen Erfahrungen, die gleichen Krisen, die gleichen Talente. Jeder Coach ist einzigartig - genau wie jede*r Coachee.
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