von Rainer Molzahn
Im ersten Beitrag dieser Reihe haben wir die Beziehung von Mensch zu Mensch in den Mittelpunkt gestellt, wenn es um die Frage geht, was in Zeiten der Veränderung hilft.
Aber wir sind als Coach ja nicht einfach als Person und Mitmensch tätig, sondern von der Rolle ‚Coach‘ zur Rolle ‚Coachee‘.
Welche Gebote, Verbote und Erlaubnisse ergeben sich daraus?
Rollen gehen immer einher mit bestimmten Grenzziehungen dessen, was man tun soll, was man tun darf und was man unterlassen sollte: Gebote, Erlaubnisse, Verbote. Rollen sind also holzschnittartige Vergröberungen dessen, was wir als Personen tun könnten. Sie fordern uns auf, bestimmte Anteile unserer selbst zu betonen, sie erlauben gewisse persönliche Freiräume im Verhalten, und sie unterdrücken oder verbieten andere. Was also sind die ethischen Aufforderungen und Grenzziehungen der Coach-Rolle?
Gebote
Die aus unserer Sicht wichtigste ethische Aufforderung, die der Coach-Rolle innewohnt, ist diese: All dein Denken und Handeln sei darauf ausgerichtet, den größtmöglichen Unterschied für dein Coachee zu machen – maximale Wirksamkeit bei minimalem Einsatz von Ressourcen.
Keine Minute verschwenden, nie in der Aufmerksamkeit nachlassen, ganz da sein, immer mit dem Fokus auf den anderen.
Es geht nicht um dich. Es geht darum, dass du dein Bestes gibst, um jemand anderen dabei zu helfen, sein Bestes hervorzubringen.
Erlaubnisse
Um das zu erreichen, darfst du Dinge, die in jeder anderen Beziehung, die der Coachee hat, heikel bis sogar undenkbar wären:
- Du darfst zutiefst persönliche Fragen stellen, die selbst die besten Freunde zögern würden zu äußern.
- Du darfst Gedanken, Gefühle und Fantasien erkunden, die den Coachee sofort in Konflikt mit Dritten bringen würden, erführen die davon.
- Du darfst, wenn du es geschmackvoll hinbekommst, ihn oder sie mit einem Feedback über seine oder ihre Wirkung auf dich oder Dritte konfrontieren, das niemand anderes so geben könnte oder würde.
Verbote
Damit du deinen Unterschied machen kannst, damit du deine sehr weitgehenden Erlaubnisse zu diesem Zweck ausnutzen kannst, musst du in der Coach-Rolle diesen Imperativen Folge leisten: Du musst Dritten gegenüber verschwiegen sein, und du darfst du keine anderen Interessen verfolgen als deinem Coachee hilfreich zu sein. Du darfst in deiner Rolle keinen anderen Loyalitäten oder Allianzen verpflichtet sein als der, einen bedeutungsvollen Unterschied für deinen Klienten zu machen. Mindestens für die Dauer des Coachings, mindestens in diesem systemischen Kontext.
Wenn es dir hinreichend gelingt, diesem kategorischen Imperativ des Coaching-Ethos hinreichend zu genügen, wird das auch deinem ureigenen Interesse als Coach wieder zugutekommen, nämlich weitere Klienten zu gewinnen. Das ist rollenethisch vollkommen OK, dafür hat auch jeder Coachee Verständnis.
Dieser Text ist ein Auszug aus der Buchreihe "Transformatives Coaching und Mentoring".
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